Tobias Weissert und seine Piloten-Kollegen setzen ihre Flugkünste gegen Schädlinge und Pilzbefall ein. Dazu steuern sie ihre Multikopter regelmässig über Maisfelder, Weinreben oder Obstbäume. Drohnenpilot Weissert erklärt im Gespräch die Besonderheiten seines Berufs und auf was es bei seiner Arbeit ankommt. Er ist Mitgründer des Start-ups Agrarpiloten, das eng mit der fenaco zusammenarbeitet.
Ihr Job ist wohl für viele der absolute Traum – wie wird man Drohnenpilot?
Tobias Weissert: Die Faszination an der Technik ist das A und O für meinen Beruf als Agrarpilot: Ich habe bereits als Kind mit ferngesteuerten Modellfliegern gespielt. Die Handhabung deren Fernbedienung ist vergleichbar mit derjenigen von Drohnen. Meine ursprüngliche Ausbildung als Elektroniker und die Weiterbildung als Informatiker sind ebenfalls eine wertvolle Basis, um die gesamte Drohnentechnik zu verstehen und zu nutzen. Da es für Drohnenpiloten noch keine national anerkannte Ausbildung gibt, habe ich das Fliegen der Drohnen gelernt, indem ich vieles einfach ausprobiert habe und durch Fehler und Erfolge weitergekommen bin. Durch Recherchen im Internet und den Austausch mit Landwirtinnen und Landwirten lerne ich ständig dazu. Das Gelernte kann ich an die Piloten, die wir für unseren Pool selbst ausbilden, weitergeben. Nebst der Freude am Fliegen gehört bei uns auch die Freude und das Interesse an der Landwirtschaft dazu. Unser primäres Ziel ist es, den Landwirtinnen und Landwirten zu helfen, ihre Arbeit zu vereinfachen.
Wie bilden Sie die Drohnenpiloten aus?
Tobias Weissert: Das Training enthält die Regelungen des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL), Abläufe und Flugtechnik: Wir üben das manuelle Starten und Landen der Drohnen, die dank Vorprogrammierungen automatisch fliegen und ihre Aufträge automatisch ausführen. Wir trainieren zudem Notfallszenarien. Im schlimmsten Fall, kann es sein, dass eine Drohne die vorprogrammierte Route unplanmässig verlässt und beispielsweise auf ein Hindernis zusteuert. Ferner geht es darum, dass sich die Piloten Kenntnisse über ausgebrachte Mittel oder Nützlinge aneignen und wissen, wie sie bei bewilligungspflichten Aufträgen vorgehen. Eine Bewilligung ist zum Beispiel notwendig, wenn wir die Drohnen näher als fünf Kilometer rund um Flugplätze fliegen, wenn wir unsere grosse Drohne, die über 30 Kilogramm wiegt, benutzen oder wenn wir Pflanzenschutzmittel sprühen. Alle unsere Piloten, die keine Landwirte sind und bei uns Pflanzenschutzmittel ausbringen sollten, haben zudem eine dreitägige Ausbildung über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln auf einer landwirtschaftlichen Schule absolviert. Danach ist es ihnen erlaubt, Sprühmittel auf dem Feld anzurühren, falls dies der Landwirt oder die Winzerin nicht selbst übernimmt. Zudem wissen wir, was es beim Ausbringen der Mittel zu beachten gibt. Beispielsweise ist festgelegt, wie gross die Abstände zu Gewässern oder Nachbarfeldern sein müssen.
Sie haben verschiedene Drohnengrössen und Einsatzgebiete angesprochen. Welche gibt es?
Tobias Weissert: Die meisten unserer zehn Flugobjekte, von denen wir einige von der fenaco gemietet haben, besitzen mehrere Propeller, weshalb wir diese auch Multikopter nennen. Die insgesamt sieben Multikopter mit vier oder sechs Propellern benötigen wir während der Maiszünslersaison, um Optikugeln mit Schlupfwespen-Larven über den Maisfeldern abzuwerfen. Die meisten unserer Piloten fliegen diese rund fünf Kilogramm schweren Multikopter. Zudem verfügen wir über zwei T20 Spritzdrohnen der Marke DJI. Diese wiegen mit ihrem 20-Liter-Tank, dem zehn Kilogramm schweren Akku und dem zehn Kilogramm schweren Eigengewicht 40 bis 50 Kilogramm. Ihr Haupteinsatzgebiet sind Sprühflüge über Reben sowie Treibhaus-Schattierungen. Die grossen Brummer fliegen nur Piloten mit langjähriger Flugerfahrung. Zudem haben wir ganz kleine Drohnen: Die Leichteste wiegt gerade mal 249 Gramm und ist somit weniger Vorschriften unterlegen. Diese verwenden wir für die Wildschadenerkennung. Unser Flächenflugzeug, das einem Styropordreieck ähnelt, lassen wir über Wälder gleiten, beispielsweise zur Erkennung von Borkenkäferbefall. Das Flächenflugzeug und die Leicht-Drohne sind mit einer Kamera bestückt.
Bei welchen Bedingungen können Sie fliegen?
Tobias Weissert: Dies ist je nach Einsatzgebiet unterschiedlich: Wenn wir gegen den Maiszünsler im Einsatz sind, fliegen wir in dessen Saison zwischen Mai und Juni jedes betroffene Feld zweimal ab mit zehn Tage Pause dazwischen. Wegen der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung steht, fliegen wir bei fast jedem Wetter. Bei nassen Bedingungen müssen wir einzig darauf achten, dass sich am Boden nicht zu grosse Pfützen gebildet haben, in denen die Optikugeln mit den Schlupfwespen-Larven ertrinken könnten. Geht es darum, Pflanzenschutzmittel gezielt anzubringen, beispielsweise über Rebstöcken, darf es nicht kälter als zehn Grad und nicht wärmer als 25 Grad sein. Denn bei Kälte, sind die Poren der Pflanzen geschlossen. Somit können die Pflanzen das Pflanzenschutzmittel nicht aufnehmen. Bei Hitze würden die gesprühten Tröpfchen verdunsten, bevor sie ihre Wirkung entfalten. Auf Infrarot-Strahlung und demnach auf Sonnenlicht bin ich angewiesen, wenn ich einen Wald auf Borkenkäferbefall untersuche. Und bei gewissen Spezialeinsätzen – beispielsweise für Vermessungen oder für Untersuchungen hinsichtlich Krankheiten – ist bewölkte, aber helle Stimmung die beste Voraussetzung für einen Flug. Generell achten müssen wir auf den Wind: Bei Stärken ab fünf Beaufort (rund 30km/h) können wir die Drohnen nicht mehr sicher fliegen. Zudem ist es dann unmöglich, Nützlinge oder Sprühmittel gezielt und präzise auszubringen. Unsere Flugsaison dauert in der Regel von April bis Oktober.
Auf was achten Sie während des Flugs?
Tobias Weissert: Das wichtigste ist, stets Sichtkontakt mit dem Multikopter zu haben. Zudem kontrolliere ich ständig, ob der Multikopter auch wirklich die geplante Mission abfliegt und behalte die Akkuanzeigen im Auge. Ist die Mission abgeschlossen, so wechsle ich die automatische Steuerung wieder auf manuell, um den Multikopter selbst kontrolliert zu landen.
Was kostet ein Flug?
Tobias Weissert: Für eine biologisch, präventive Maiszünslerbehandlung sind es pro Hektar CHF 147.20. In diesem Preis inbegriffen sind die Optikugeln und deren zweimaliges Ausbringen. Beim Sprühservice über Weinreben hat zudem die Komplexität des Geländes – Grösse, Anzahl Hindernisse – einen Einfluss auf den Hektaren-Preis.
Zum Schluss: Was motiviert Sie?
Tobias Weissert: Wir wollen ja die Landwirtinnen und Landwirten unterstützen. Dank Technik und Digitalisierung gelingt dies uns auch. Wer hätte noch vor 15 Jahren an Arbeitsentlastung aus der Luft gedacht? Zudem: Die Entwicklung schreitet immer rascher voran – insbesondere wegen den Errungenschaften aus der Handy-Technologie. So stehen uns immer leichtere und länger anhaltende Akkus zur Verfügung. Die Automatik und Sensoren werden laufend besser und nebst Kameras lassen sich auch hochsensible Radars einsetzen.
Die Agrarpiloten
Tobias Weissert hat zusammen mit David Aebi und zwei weiteren Mitgründern das Start-up «Agrarpiloten» mit Sitz in Hellsau (BE) im Jahr 2016 gegründet. David Aebi ist Landwirt und musste selbst erfahren, welchen Schaden der Maiszünsler anrichten kann. Er hat sich gefragt, wie er effizient die Schlupfwespen, also die natürlichen Feinde des Maiszünslers, in seinem Feld aushändigen könnte. Die Antwort fand er bei AGROLINE Bioprotect, einem Unternehmen der fenaco, das Lösungen für alternativen Pflanzenschutz entwickelt und in der Drohnentechnik eine Pionierrolle innehat. AGROLINE Bioprotect züchtet unter anderem Trichogramma-Schlupfwespen, die mit Hilfe von OptiDrohnen über den Maisfeldern abgeworfen werden. Das Geschäft wächst schnell, was dem Unternehmen Agrarpiloten viel neue Aufträge beschert.
Agrarpiloten verfügt heute über einen Pool aus rund 40 Piloten im Alter von 14 bis 70, die in ihrer Freizeit regelmässig zur Verfügung stehen. Nebst der Maiszünslerbekämpfung bietet das Unternehmen weitere Dienstleistungen wie Pflanzenschutz beim Weinbau, Waldmonitoring sowie Vermessung und Kartierung an. Es ist im Mittelland im Einsatz.