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Chancen und Grenzen der Photovoltaik bei einem Netzausfall in der Landwirtschaft

Wie verhält sich eine Photovoltaik-Anlage bei einem Netzausfall? Welche Notstromlösungen sind für Landwirtinnen und Landwirte, die Sonnenenergie nutzen, sinnvoll?

Kann eine Photovoltaik-Anlage im Falle eines Netzausfalls Notstrom liefern? Diese Frage stellt sich nicht erst in der aktuellen Energiekrise, auch wenn sie jetzt noch mehr an Brisanz erhält. Antworten zu dieser und weiteren Fragen gibt Benjamin Lerch im Interview. Er ist Leiter Technik Gebäude-Lösungen und Speichersystem-Experte bei unserer Tochter AGROLA.

Benjamin Lerch, wie wichtig ist Energie in der Landwirtschaft?
Moderne Technologie hat in den Bauernhöfen längst Einzug gehalten. Ohne Energie läuft fast nichts mehr. Ein Stromausfall hat gravierende Auswirkungen. Das gilt auch für Höfe mit Photovoltaik-Anlagen.

Und was passiert mit einer Photovoltaik-Anlage bei einem Stromausfall?
Bei einer unzulässigen Spannung oder bei einem Netzausfall – sei es aufgrund einer defekten Leitung nach einen Sturm oder aufgrund einer Stromlücke in der aktuellen Energiekrise – muss eine Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) vom Netz getrennt werden. Dies passiert automatisch innerhalb von Sekundenbruchteilen.

Aus welchen Gründen braucht es diesen Schutzmechanismus?
Damit wird verhindert, dass Strom zurück ins Netz fliesst. Nur wenn das Netz komplett spannungsfrei ist, können beispielsweise Reparatur- oder Wartungsarbeiten gefahrlos ausgeführt werden.
Was passiert mit der abgeschalteten Anlage, wenn das Stromnetz wieder stabil ist?
Ist das Netz wieder vorhanden, erkennt dies der Wechselrichter. Dieser wandelt Gleichstrom in Wechselstrom um und nimmt die PV-Anlage automatisch wieder in Betrieb. 
 

Dann kann eine PV-Anlage bei einem Stromausfall also auch keinen Strom für kritische Geräte wie einen Melkroboter oder eine Lüftung liefern?
Ersatzstromsysteme sind für Landwirtschaftsbetriebe ungeeignet, denn Kosten und Nutzen stehen in keinem Verhältnis. AGROLA möchte Landwirtinnen und Landwirten Lösungen anbieten, die praktikabel und erschwinglich zugleich sind. Das Interesse bei Landwirtinnen und Landwirten dafür ist sehr gross. 

Wie sieht eine solche Lösung aus?
Konkret braucht es eine übergeordnete Steuereinheit, ein sogenanntes Energie-Management-System, kurz EMS. Die PV-Anlage, der Batteriespeicher und der Generator können über diese Einheit «miteinander kommunizieren». Wir sind daran, eine solche Steuerung, die alle Komponenten miteinander verbindet, zu entwickeln. So könnte die PV-Anlage mit Hilfe des Generators wieder anfangen, Strom zu produzieren und gegebenenfalls auch den Batteriespeicher zu füllen. Je mehr Sonnenstrom wir produzieren können, desto weniger Leistung muss der Traktor abgeben, desto weniger Treibstoff wird verbraucht. Das ist unser Anspruch an ein solches System.

Welche Möglichkeiten hat denn eine Landwirtin oder ein Landwirt heute – auch ohne PV-Anlage –, den Betrieb mit Notstrom zu versorgen?
Wir empfehlen, den Stromunterbruch mit dem Zapfwellengenerator zu überbrücken. Die Anschaffungskosten hierfür halten sich im Rahmen. Und ein Traktor mit Treibstoff steht auf jedem Landwirtschaftsbetrieb. Wichtig ist, dass die bestehende Elektroinstallation geprüft und allenfalls vom Fachmann angepasst wird. 
 

Wie verhält es sich mit der Umweltbelastung, wenn ein Traktor stundenlang läuft, um den Generator zu betreiben?
Diese Frage ist berechtigt. Es handelt sich ja um eine Notlösung. Der Zapfwellengenerator läuft nicht ständig, sondern nur stundenweise, um kritische Geräte in Gang zu bringen. Aber wir arbeiten daran, PV-Anlagen in die Erzeugung von Notstrom einzubeziehen. 

Gibt es andere Möglichkeiten, mit einer PV-Anlage Notstrom zu erzeugen?
Ja, das ist durchaus möglich. Ein entsprechend grosser Batteriespeicher kann die nötige Energie im Inselnetz aufbauen und einen Hof über mehrere Stunden oder gar über einige Tage hinweg mit Strom versorgen, bis die Batterie leer ist. Für kürzere Zeiten funktioniert das, aber für eine längere Stromlücke wäre die Lösung zu teuer. Es kann aber helfen, die erste Zeit bei einem Stromausfall zu überbrücken, bis eine Lösung gefunden ist.
 

Ihr Fazit für die aktuelle Situation? 
Für einen landwirtschaftlichen Betrieb ist der Einsatz eines Zapfwellengenerators aktuell die einfachste und kostengünstigste Variante zur längerfristigen Aufrechterhaltung des Betriebes bei einem Netzausfall. Ist eine PV-Anlage mit Batteriespeicher vorhanden, kann dieser bei einem Netzausfall weiter Strom liefern, bis er vollständig entleert ist. Die Umschaltung auf Batteriestrom erfolgt automatisch innerhalb weniger Sekunden. Dies hat den Vorteil, dass eine Landwirtin oder ein Landwirt genügend Zeit hat, einen Zapfwellengenerator zur längerfristigen Stromversorgung anzuschliessen, ohne dass ein nennenswerter Unterbruch der Stromversorgung entsteht.
 

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