Pascal Gutknecht von Gutknecht Gemüse in Ried bei Kerzers (FR) und Daniel Schwab von fenaco Landesprodukte diskutieren im Gewächshaus die Vorteile und Grenzen der neuen vertikalen Anbaumethode.
Vertical Farming wird heiss diskutiert – aber wird sich die Technologie auf Schweizer Bauernhöfen durchsetzen?
Daniel Schwab: Eines ist sicher: In Niederhasli bei Zürich nimmt unser Partner YASAI diese Tage die grösste Vertical-Farming-Pilotanlage der Schweiz in Betrieb. Ich glaube an das Potenzial der neuen Technologie. Sie erlaubt es uns, nachhaltiger und mit weniger Pflanzenschutzmitteln und weniger Wasser rund um die Uhr Lebensmittel zu produzieren. Das sind wichtige Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten. Aber natürlich, es gibt noch viel zu tun.
Pascal Gutknecht: Ich finde die neue Technologie sehr interessant. Aber wenn wir von Kalorien und von der Ernährung der Weltbevölkerung sprechen, habe ich noch Fragezeichen. In diesem Massstab geht das noch nicht mit Vertical Farming.
Wo seht ihr denn Anwendungsmöglichkeiten und Potenzial für die neue Technologie?
Daniel Schwab: In grossen Mengen können wir noch nicht produzieren, ganz klar. Zurzeit sehen wir Potenzial bei Kräutern und Asia-Gemüse, aber auch bei kleinblättrigen Salaten und Beeren. Das sind Produkte, die wenig Platz brauchen und oft importiert werden. Und hier kommen die Vorteile von Vertical Farming besonders zum Tragen: lokale Produktion und absolute Frische. Das wird die Nachfrage antreiben.
Pascal Gutknecht: Aus Produzentensicht könnte der Treiber für Vertical Farming auch woanders liegen, nämlich beim Klimawandel. 2020 klagten viele über Nässe und Hagel, 2019 machte uns die Trockenheit zu schaffen. Die Wetterwechsel sind über die Jahre immer stärker geworden und machen uns das Leben schwer. Gewisse Lebensmittel fallen dann auch einmal einfach weg, zum Beispiel Rosenkohl oder Kohlarten allgemein. In der sicheren und kontrollierten Umgebung von Vertical Farming sind wir davor natürlich geschützt.
Wie steht es denn mit dem Energiebedarf bei Vertical Farming?
Daniel Schwab: Wir stapeln ja Äcker übereinander, da braucht es nun einmal zusätzliche Lichtquellen. Vertical Farming macht vor allem Sinn, wenn erneuerbare Energien eingesetzt werden. Dann ist es wirklich nachhaltig. Die LED-Technologie hat in den letzten Jahren massive Fortschritte gemacht, der Energiebedarf sinkt. Zudem wird an nachhaltigen Konzepten für die Abwärme gearbeitet. Mit dieser können zum Beispiel Gebäude in der Nachbarschaft beheizt werden.
Pascal Gutknecht: Die Energieversorgung ist schon ein Thema. Die Pflanze, die draussen in der Natur wächst, ist robust und verzeiht einem etwas. In der Halle aber können Zwischenfälle wie ein Stromausfall grosse Konsequenzen haben. Das gilt allerdings auch schon heute für unsere Gewächshausproduktion.
Werden denn die Bäuerinnen und Bauern immer mehr zu Technikerinnen oder gar IT-Spezialisten?
Daniel Schwab: Aus meiner Sicht braucht es immer häufiger beide Kompetenzen: Agronomisches und technisches Fachwissen müssen Hand in Hand gehen. Ob es dann zwei Personen sind oder sich das Wissen und Können in einer Person vereinen lässt, wird sich noch zeigen.
Pascal Gutknecht: Wir sind ja bereits heute sehr technologisch unterwegs auf den Schweizer Bauernhöfen. Roboter fahren dank GPS selbstständig und unterstützen unsere Teams auf den Feldern oder auch bei der Weiterverarbeitung. Und dank den vielen Sensoren kann ich meinen Betrieb über das Handy auch von zuhause aus oder unterwegs überwachen und wenn nötig eingreifen. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität.
Wie wird denn dieser Hof in zehn Jahren ausschauen? Und wird dann Vertical Farming Teil davon sein?
Pascal Gutknecht: Es ist gut möglich, dass wir in den nächsten Jahren eine Vertical-Farming-Halle aufstellen. Wir sind grundsätzlich offen für Innovation. Es wird sich einfach zeigen müssen, in welchen Bereichen diese Produktionsart sinnvoll ist und was die Konsumentinnen und Konsumenten wollen. Für mich persönlich ist es aber wichtig, dass ich weiterhin in der Natur arbeiten kann.
Daniel Schwab: Der Bezug zur Natur wird sicher bleiben – wir arbeiten ja mit natürlichen Ressourcen. Aber gewisse Trends werden sich wohl fortsetzen, zum Beispiel die Automatisierung. Ich denke, wir werden auf den Bauernhöfen immer mehr fahrerlose Fahrzeuge und eigenständig arbeitende Maschinen sehen. Ohne die Kontrolle und gezielten Eingriffe durch die Landwirtin oder den Landwirt geht es aber auch in Zukunft nicht.
Vertical-Farming-Pilotanlage in Niederhasli (ZH)
fenaco Landesprodukte und das ETH-Spin-Off YASAI realisieren gemeinsam eine Pilotanlage für Vertical Farming in Niederhasli (ZH). Nach dem Projektstart Ende 2020 nimmt die Anlage im Dezember den Betrieb auf. Ab Januar soll sie Konsumentinnen und Konsumenten mit frischen Kräutern versorgen, weitere Produkte folgen. Mit der Beteiligung an einer Pilotanlage für die neuartige Produktionsform Vertical Farming will fenaco Landesprodukte die Vorteile dieser innovativen Anbaumethode verifizieren und deren Rentabilität prüfen – und damit den Schweizer Landwirtinnen und Landwirten möglicherweise ein neues Geschäftsfeld erschliessen.