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Die Zukunft der Landwirtschaft und die Geheimnisse des Bodens

Interview mit Thomas Anken und Dejan Seatovic zur Zukunft der Landwirtschaft.

Wie sieht die Landwirtschaft 2050 aus? Übernehmen Drohnen und Landwirtschaftsroboter? Der Agronom Thomas Anken und der Professor für Maschinentechnik Dejan Seatovic wagen einen Ausblick und erläutern, wie sie die Geheimnisse des Bodens lüften wollen.

Wir sind im Jahr 2050: Zehn Milliarden bevölkern die Erde, wir brauchen 60% mehr Lebensmittel als heute. Wie soll das gehen?
Thomas Anken: Das ist eine gewaltige Herausforderung, die durch den Klimawandel und die Ressourcenknappheit verstärkt wird. Es gibt aus meiner Sicht nicht die eine Lösung für diese globale Herausforderung – da ist die ganze Branche global gefordert. Wir dürfen die zusätzlichen Mengen aber sicher nicht auf Kosten der noch verbleibenden wertvollen Biotope wie des Amazonas produzieren. Sondern wir sollten sie durch höhere Effizienz und Produktivität erzielen.

Dejan Seatovic: Um es ganz deutlich zu sagen: Wir stehen am Rand einer Umweltkatastrophe. Es gilt nun, mit weniger Ressourcen mehr Nahrungsmittel zu produzieren. Aus meiner Sicht ist Technologie der Schlüssel dazu: Drohnen, künstliche Intelligenz, Roboter. Hier haben wir in den letzten Jahren massive Fortschritte erzielt. Und diese Entwicklung wird weitergehen

Wird Technologie die Landwirtschaft in den nächsten Jahren umpflügen?
Dejan Seatovic: Technologie hat bereits jetzt einen massiven Einfluss, und das wird so weitergehen. Es ist ja in unserem Privatleben nicht anders. Das Smartphone beispielsweise hat unseren Alltag massiv verändert. Wieso sollte die Digitalisierung vor der Landwirtschaft Halt machen?

Thomas Anken: Erinnern wir uns an die Melkroboter, die wurden in den 90er-Jahren eingeführt. Damals dachten viele, dass sich die Technologie nicht durchsetzen werde. Heute gibt es allein in der Schweiz über tausend Stück davon. Sie ermöglichen gerade Familienbetrieben mehr Flexibilität. Ausschlafen am Sonntag wird möglich, was ich bei dem hohen Arbeitsdruck allen Landwirtinnen und Landwirten wünsche.

Dejan Seatovic: Dazu kommt: Die Technologie wird immer billiger. Durch Se­rienproduktion wird Hightech schnell zur Massenware, wir sehen das zum Beispiel bei den Drohnen. Früher waren die richtig teuer, heute kostet ein gutes Modell noch 1000 Franken.

Dejan Seatovic, Professor an der Fachhochschule OST
« Technologie ist der Schlüssel: Drohnen, Künstliche Intelligenz, Landwirtschaftsroboter. »

Was sind denn die heutigen verrückten Ideen, die morgen «normal» sind?
Thomas Anken: Sehr hohe Effizienzgewinne lassen sich beispielsweise durch Gewächshäuser erzielen. Dieser Sektor entwickelt sich rasend. In hydroponischen Anlagen wächst Gemüse auf dem Fliessband und die nächste Steigerung ist mit dem Vertical Farming in Hochhäusern schon eingeläutet. In der kontrollierten Umgebung kann die einzelne Pflanze präzise aufgezogen werden. Schädlinge und Krankheiten sind ausgesperrt. Damit sind enorme Produktivitätsgewinne möglich. Ich denke aber auch an «Precision Farming», also ganz gezielte Eingriffe auf dem Feld. Die Kuhglocke kann schon heute durch ein GPS-Halsband ersetzt werden. Vielleicht werden wir als nächsten Schritt Schafe künftig mittels Drohnen über Nacht in wolfsichere Gehege eintreiben.

Dejan Seatovic: Das liesse sich mit VR-Brille bequem von zu Hause aus bewerkstelligen. Oder die Drohnen erledigen das eigenständig – dank Lern­algorithmen. Und spinnen wir diese Idee noch etwas weiter: Unser geländetaugliche Roboter von Boston Dynamics könnte den Hütehund ersetzen und gar Wölfe vertreiben. Vielleicht sogar im Zusammenspiel mit Drohnen, welche die Schafe orten.

Um Drohnen und Agrarroboter geht es auch beim aktuellen Innosuisse Forschungsprojekt von fenaco, Agroscope und der Fachhochschule OST…
Dejan Seatovic: Einfach gesagt läuft es so: Die Drohne erfasst das Feld und überträgt hochaufgelöste Bilder. Im Server setzt dann eine künstliche Intelligenz die Bilder zusammen und wertet sie aus. Die Software ist trainiert und erkennt dadurch das Unkraut, auch verschiedene Entwicklungsstadien davon. Schliesslich werden die Positionen der Unkräuter an einen Landwirtschaftsroboter übermittelt, der sie am Boden bekämpft. Das geschieht zurzeit mit sehr gezielten Einsätzen von Pflanzenschutzmitteln. Später ersetzen wir diese durch Heisswasser.

Wie läuft dabei die Zusammenarbeit mit der fenaco?
Thomas Anken: Die drei Partner ergänzen sich ideal. Agroscope agiert mit ihrem technologischen und agronomischen Wissen als Brückenbauer zwischen der fenaco, die neue Services anbieten will, und den Technikspezialisten von der Hochschule OST. Unser gemeinsames Ziel ist es, Lösungen zu finden, die möglichst nachhaltig, effizient und kostengünstig sind.

Dejan Seatovic: Jeder Partner bringt seine Stärken ein. Denn Probleme sind heute so komplex, dass sie ohne eine sinnvolle Arbeitsteilung kaum lösbar sind. Das geht nur mit viel Vertrauen und einer Kultur der Zusammenarbeit. Wir von der Fachhochschule OST konzentrieren uns auf die technischen Aspekte der Lösung und des Algorithmus der Bilderkennung.

Sprechen wir noch über den Boden. Wie entlocken Sie ihm seine Geheimnisse?
Thomas Anken: Der Boden ist noch eine «Black Box» für uns. Im Gegensatz zum Gewächshaus können wir die Bedingungen nicht gut kontrollieren. Und es ist sehr aufwändig, die Bodenbeschaffenheit präzise zu erfassen. Aber genau das muss unser Ziel sein: Welche Prozesse laufen ab? Haben wir eine hohe oder eine tiefe Stickstoffmineralisierung? Wie ist der Gasaustausch? Im Moment arbeiten wir total unspezifisch, quasi im Blindflug: Wir bearbeiten den Boden irgendwie, weil es einigermas­sen funktioniert und man es halt so macht. Eine intelligente Landwirtschaft muss aber den Boden wie alle natürlichen Systeme besser verstehen – und greift dann viel gezielter ein. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre schon, wenn wir die Bodendichte und die Durchlüftung des Bodens mit Sensoren einfach messen könnten. Da haben wir zurzeit noch ein grosses Manko.

Thomas Anken, Agronom bei Agroscope
« Eine intelligente Landwirtschaft muss den Boden verstehen. »

Dejan Seatovic: Mit einem Georadar wäre es grundsätzlich möglich, die Bodenbeschaffenheit zu messen. Ähnlich zum Vorgehen bei Erdölbohrungen könnten wir die Geheimnisse des Bodens mit Radar- und Druckwellen entlocken. In der Archäologie wird das auch eingesetzt.

Thomas Anken: Wir brauchen einfach detaillierte Daten über das ganze Jahr und nicht nur eine Bodenprobe alle drei Jahre. Bei Messungen des Nährstoffgehalts ist auch noch viel Luft nach oben. Zurzeit machen wir das mit nasschemischen Analysen und Bodenproben – wiederum viel zu aufwändig für den Alltag der Landwirte. Es gibt Versuche mit Sonden, die den Nitratgehalt im Boden messen wollen. Aber das steckt noch in den Kinderschuhen und funktioniert nicht zuverlässig. In Dänemark und England gibt es erste Ansätze, den Humusgehalt der Böden ganzer Länder aus der Luft zu erfassen. Ich denke, da wird sich einiges tun in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren.

Wie verändert sich dabei die Rolle der Bauern?
Thomas Anken: Die technischen Hilfsmittel werden klar zunehmen. Heute machen die Bauern ja auch ihre Buchhaltung am Computer, das war früher nicht der Fall. Dieser Trend wird weitergehen, zum Beispiel mit Farm-Management-Systemen.

Dejan Seatovic: Der Wandel braucht natürlich eine gewisse Zeit, oft eine Generation, bis er in den Köpfen angekommen ist. Aber schauen Sie sich mal die Jugendlichen an, die können ohne ihr Mobiltelefon ja kaum leben. Glauben Sie, das ist für die neue Bauerngeneration anders? Jungbauern nutzen moderne Technologien absolut selbstverständlich.

Thomas Anken: Das zeigt sich auch in der aufkommenden Start-up-Mentalität in der Landwirtschaft. Wir hatten noch nie so viele Start-ups, Innovationen und neue Ansätze wie heute. Das ist eine breite Aufbruchsstimmung wie bei den Anfängen der Mechanisierung.

Woher kommt das?
Thomas Anken: Sehr viel geht von den Universitäten wie der ETH Zürich und Lausanne aus, aber auch von den Fachhochschulen. Es ist eine dynamischere Art zu denken und zu handeln: Man darf auch mal Risiken eingehen und Fehler machen. Von diesem Schwung und dem Mut, Dinge neu zu denken, kann die Landwirtschaft enorm profitieren.

Dejan Seatovic: Wir fördern das gezielt, zum Beispiel mit Innovationswettbewerben. Generell ist der Fortschritt unglaublich: Was ich vor zehn Jahren in mühseliger, langjähriger Arbeit selber erarbeitet habe, entwickeln meine Studenten innerhalb weniger Monate mithilfe von künstlicher Intelligenz. Wir können heute extrem komplexe Probleme angehen, die früher einfach nicht lösbar waren. Das stimmt mich sehr zuversichtlich für die Herausforderungen, vor denen wir stehen.

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