Die Eisheiligen beschäftigen Gartenbegeisterte jedes Jahr. Bei diesem Thema scheiden sich aber die Geister. Die Einen warten strikt mit der Bepflanzung bis die Tage der Eisheiligen vorbei sind. Die Anderen pflanzen bereits vorher. Wir haben nachgeforscht, was es mit den alten Bauernregeln auf sich hat.
«Der April macht, was es will». Diesen Spruch haben wir schon als Kind gelernt. Tatsächlich enttäuscht uns der Monat April eher selten: Regen, Schnee und Sonnenschein wechseln sich manchmal innert Stunden ab, und auch die Temperaturen sind jeden Tag für eine Überraschung gut. Gartenbegeisterte freuen sich deshalb auf den Mai. Der Wonnemonat präsentiert sich oft schon zu Beginn im farbenfrohen Blütengewand, und die ersten Tage werden meist von sommerlicher Wärme begleitet. Doch Vorschicht: Die fiesen Kältetage im Mai, die sogenannten «Eisheiligen», können im Gemüsebeet zu Enttäuschungen führen.
Warten auf die «kalte Sophie»
Eine alte Weisheit besagt: «Pflanze nie vor der kalten Sophie». Die Heilige Sophie von Rom, die am 15. Mai ihren Namenstag hat, gehört zu den Wetterheiligen. Im Mittelalter wurde sie zum Schutz gegen Spätfröste angerufen. Sie sollte helfen, eine gute Ernte zu sichern. Offiziell gilt sie aber nicht als Eisheilige. Das waren ursprünglich nur die vier «gestrengen Herren»: Mamertus (11. Mai), Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai) und Bonifatius (14. Mai). So sagt eine Bauernregel aus dem deutschen Raum zum Beispiel:
«Der heilige Mamerz hat von Eis ein Herz.
Pankratius hält den Nacken steif,
sein Harnisch klirrt von Frost und Reif.
Servatius’ Mund der Ostwind ist,
hat schon manch’ Blümchen totgeküsst.»
Oder eine andere: «Vor Bonifaz kein Sommer, nach der Sophie kein Frost».
Solche Reime bezogen sich auf eine bestimmte Wetterlage im Mai, bei der ein Kaltluftstrom aus dem Norden Russlands nach Mitteleuropa drängt und die kalte Luft nach Deutschland und in die Schweiz trägt. Da es hierzulande zu dieser Zeit meist bereits warm ist, kann es in sternenklaren Nächten so stark abkühlen, dass sich Bodenfrost bildet. So ein Kälteeinbruch kann der frühen Saat im Boden ein jähes Ende bescheren. Weil die kalte Luft für ihre Reise aus dem Norden aber mehrere Tage braucht, beginnen solche kalten Nächte zum Beispiel im Norden Deutschlands meist einen Tag früher als im Süden und dort wiederum früher als bei uns in der Schweiz. In der logischen Konsequenz waren die alten Bauernregeln nicht alle an das gleiche Datum gebunden, sondern variierten je nach Region. Während im Norden Deutschlands die Eisheiligen am 11. Mai mit Mamertus beginnen, halten sie in der Schweiz erst am 12. Mai mit Pankratius Einzug. Die «kalte Sophie» bringt am 15. Mai schliesslich den letzten Tag der Kältewelle.
Wertvolles Wissen aus der Natur
In einer Zeit, in der das Wetter von Satelliten beobachtet, in Echtzeit umgerechnet und auf dem Smartphone grafisch abgebildet wird, ist es leicht, die ungenauen Bauernregeln in Frage zu stellen. Doch das Wissen, welches durch die jahrhundertelange, genaue Beobachtung der Natur gewonnen wurde, war vor der Industrialisierung von grossem Wert. War doch die warme Jahreszeit bis in das 19. Jahrhundert hinein viel kürzer als heute. Meist gab es lange, harte Winter und kurze, regenreiche Sommer. Setzte man die Saat zu früh in den Boden, erfror sie. Setzte man sie zu spät in den Boden, hatte sie keine Zeit um auszureifen. Der genaue Zeitpunkt für das Setzen der Saat auf den Feldern war damals also essentiell – auch in den Gemüsebeeten im Garten. Heute macht sich die Landwirtschaft den digitalen Fortschritt zunutze. Zum Beispiel mit der LANDI Wetter App. Sie bietet lokale Wettervorhersagen mit den für Bäuerinnen und Bauern wichtigen Parametern wie die tägliche Temperatur im Boden. Das macht die kostenlose App auch bei Gartenbegeisterten sehr beliebt.
Die Zeiten ändern sich
Heute muss man die Bauernregeln zu den Eisheiligen also in einem breiteren Kontext sehen. Einerseits stehen durch technische Möglichkeiten genauere Wettervorhersagen zur Verfügung. Ein weiterer Aspekt liegt, laut Meteorologen, in der Verschiebung der offiziellen Jahresberechnung im Jahr 1582. Damals setzte Papst Gregor XIII. seinen gregorianischen Kalender durch und löste damit den julianischen Kalender ab. In der Folge sprang die Zeitrechnung vom 4. Oktober 1582 auf den 15. Oktober 1582. Die zehn Tage dazwischen gingen verloren. Die katholischen Kantone in der Schweiz übernahmen diese Kalenderreform erst ein Jahr später und in den protestantischen Gebieten Europas dauerte die Umstellung teils bis ins 20. Jahrhundert hinein. Heute liegen ganze zwei Wochen zwischen der mittelalterlichen Zeitrechnung und unserer. Daher müssten die Eisheiligen heutzutage eigentlich vom 25.-29. Mai erwartet werden. Doch auch die Industrialisierung und die damit verbundenen klimatischen Veränderungen haben unsere Winter beeinflusst. Müssen wir uns also gar nicht mehr um die Eisheiligen kümmern? Jein. Auch heute sollten Gartenliebhaberinnen und -liebhaber genau schauen, wann sie welche Gemüsesorten und Pflanzen in den Boden setzen. Dass liegt weniger an den Eisheiligen als viel mehr an den Sorten, die wir heutzutage pflanzen. Tomaten, Gurken oder Zucchini kommen nämlich ursprünglich aus wärmeren Regionen und schätzen es, wenn sie etwas später gesetzt werden.
Wer also sein Gemüse nicht in Töpfchen «vorziehen», sondern die Samen direkt in den Boden setzen möchte, der sollte nicht nur die kalte Sophie am 15. Mai abwarten, sondern sich bis Ende Mai Zeit lassen. Man kann sich aber auch von den Profis was abschauen. Reto Bucheli, Leiter Technik und Versuchswesen bei AGROLINE, erklärt: «Unerwartete Frosteinbrüche sind natürlich herausfordernd für die Landwirtinnen und Landwirte. Unabhängig vom konkreten Datum der Eisheiligen gibt es wirksame Schutzmassnahmen, die jedoch bereits deutlich vor den Eisheiligen eingesetzt werden. So schützen Vliese je nach Kultur Gemüse gegen Frost. Im Obstbau und Weinbau werden teilweise Frostkerzen eingesetzt». Eine einfache Schutzabdeckung oder zusätzliche Wärmequellen können also helfen, die Gartenernte zu schützen – auch später, wenn im Juni die Schafskälte kommt.