Die Biogasanlage von SwissFarmerPower Inwil (LU) gehört zu den innovativsten und grössten der Schweiz. 75 Landwirtinnen und Landwirte aus dem Kanton Luzern, die EWL und die fenaco sind als Mitinitianten seit deren Entstehung dabei. Es ist eine Pionierleistung, die Nährstoffkreisläufe optimal schliesst.
20 000 Tonnen feste organische Abfälle wie Grüngut, Mist, Essensreste, Getreideabgang oder Schnittgut und 50 000 Tonnen flüssige organische Abfälle wie Gülle oder Speisereste verarbeitet die Biogasanlage in Inwil (LU) von SwissFarmerPower Inwil (SFPI) jährlich. Damit kann sie eine beachtliche Menge an erneuerbarer Energie herstellen. Und zwar 33 Millionen Kilowattstunden Biogas, was rund 3,2 Millionen Litern Diesel entspricht. Damit können 3800 Fahrzeuge jedes Jahr je 15 000 Kilometer zurücklegen. Zudem produziert die Anlage rund zwei Millionen Kilowattstunden Strom, die für 1000 Haushalte pro Jahr reichen, und zwei Millionen Kilowattstunden Wärme, welche die Biogasanlage selbst nutzt. «Dass wir aus organischen Abfällen etwas Sinnvolles produzieren, finde ich faszinierend. Die Biomasse ist das A und O für unsere Anlage. Nur, weil wir davon hier in Inwil jederzeit genügend zur Verfügung haben, produziert die Anlage permanent während 24 Stunden an 365 Tagen erneuerbare Energie», betont Philip Gassner, Geschäftsführer von SFPI.
Sinnvolle Lösung für den Kanton Luzern
Die grosse Menge an ständig verfügbarer fester und flüssiger Biomasse rund um Inwil war denn auch der Auslöser, um gerade dort eine industrielle Biogasanlage zu bauen. «Die Idee für eine Anlage verdanken wir unseren Landwirtinnen und Landwirten. Sie gaben die Initialzündung für das Projekt», sagt Philip Gassner. In Betrieb genommen hat die 2006 gegründete SwissFarmerPower Inwil ihre Biogasanlage 2008. Bereits 2011 wurden die Kapazitäten erweitert. Seit den Anfängen dabei sind nebst 75 Landwirtinnen und Landwirten aus der Region auch der Luzerner Bauernverband, das Energieunternehmen Energie Wasser Luzern (EWL) und die fenaco. «Der Kanton Luzern hat vergleichsweise viele Tiere, insbesondere Schweine, und damit auch viel Gülle und Mist zur Verfügung. Dank der Biogasanlage kann in der Region überschüssiger Hofdünger sinnvoll verwertet werden», sagt Stefan Epp, Verwaltungsratsmitglied der SFPI sowie Leiter Region Zentralschweiz und Departement Infrastrukturen und Nachhaltigkeit bei der fenaco. Rund drei Viertel der im Pflanzenbau benötigten Nährstoffe kann die Schweizer Landwirtschaft mithilfe von Hofdünger selbst decken. Die sinnvolle Verteilung zwischen Gebieten mit einer hohen Nutztierdichte und den typischen Ackerbauregionen ist zuweilen jedoch eine Herausforderung.
«Das Projekt in Inwil war damals Neuland. Indem wir uns daran beteiligten, konnten wir wertvolle Einblicke in das Potenzial von Biogasanlagen als Nährstoffverwerter und erneuerbare Energiequelle gewinnen», erklärt Stefan Epp. Da stellt sich die Frage, warum die fenaco ihre Aktivitäten im Geschäft mit der Biomasse nach dem erfolgreich umgesetzten Projekt in Inwil nicht ausgebaut hat. Stefan Epp: «Das Potenzial für industrielle Anlagen ist begrenzt. Die meisten organischen Abfälle werden heute schon energetisch verwertet. An anderen Standorten in der Schweiz würden wir landwirtschaftliche Anlagen und damit Landwirtinnen und Landwirte bei der Beschaffung von Substraten wie Grüngut, Getreideabfälle oder Speiseresten konkurrenzieren. Das widerspricht unserem Zweckauftrag.» Es existieren hierzulande rund 130 solche landwirtschaftliche Biogasanlagen (siehe ein Beispiel am Ende des Artikels); am meisten in den Voralpenkantonen (Quelle: Ökostrom Schweiz).
Aktionäre aus der ganzen Wertschöpfungskette
An der Biogasanlage in Inwil hält die fenaco zehn Prozent der Aktien, die Mehrheit von knapp 80 Prozent liegt bei sieben Energie- und Gasunternehmen aus der Region und der ganzen Deutschschweiz. Sie sorgen für den Absatz des Biogases, zum Beispiel in der Wärmeproduktion oder als Fahrzeugkraftstoff. Den 75 Landwirtinnen und Landwirten aus der Region gehören etwas mehr als zehn Prozent der SFPI-Aktien. Einer von ihnen ist Josef Rebsamen. Auf die Frage, weshalb er Aktionär der Biogasanlage Inwil geworden sei, hat der Landwirt aus dem benachbarten Ort Eschenbach (LU) und Mitglied der LANDI Oberseetal eine klare Antwort:
Ein- bis zweimal pro Jahr holt ein benachbarter Landwirt die insgesamt 250 Kubik Gülle von Josef Rebsamen ab und bringt diese Biomasse in die fünf Kilometer entfernte Biogasanlage in Inwil. Auf der Rückfahrt führt er 25 bis 50 Kubik Nährstoffkonzentrat, das in der Anlage produziert wird, mit. Dieses mischt Josef Rebsamen in seine Gülle. So gelangt es in der Vegetationsphase auf seine Getreidefelder. Der Recyclingdünger eignet sich besonders gut, weil der Stickstoff nach der Vergärung schneller wirkt.
Aktionär und Güllenlieferant ist auch Ralph Mattmann, ebenfalls Mitglied der LANDI Oberseetal. Sein Hof ist mit einer Bodenleitung an die Anlage der SFPI angeschlossen. «Die Anlage Inwil ist ein verlässlicher Partner, der meine Gülle abnimmt und nachhaltige Energie daraus macht», freut sich der Landwirt. Fünfmal jährlich lässt er – je nach Kapazität der Biogasanlage – rund 200 Kubik Gülle durch die zwei Kilometer lange Bodenleitung fliessen. Nebst ihm sind sieben weitere Landwirtschaftsbetriebe aus der Nachbarschaft an das Leitungsnetz angeschlossen.
Komplexeste Biogasanlage der Schweiz
Die Biogasanlage der SFPI ist eine von insgesamt rund 30 industriellen Anlagen in der Schweiz, die feste und flüssige Biomasse in Energie umwandeln können. Bei grossen Mengen ist die getrennte Vergärung von flüssigem und festem Material und somit das Vorhandensein von Nassfermentern und Trockenfermentern notwendig. Die Biogasanlage in Inwil ist die einzige, die nach der Vergärung in den Fermentern anfallende Reste vollständig als Recyclingdünger weiterverarbeiten kann. Und zwar als festes und flüssiges Gärgut und eben auch als Nährstoffkonzentrat mit einem hohen Gehalt an Stickstoff, Kali und Schwefel. Drei Produkte, die ideal sind, um sie als Dünger, Düngerzusatz und Bodenverbesserer einzusetzen. Die jährlich produzierten 50 000 Tonnen Recyclingdünger kommen dort in die Böden, wo sie gebraucht werden. Auf umliegenden Landwirtschaftsbetrieben wie bei Josef Rebsamen und insbesondere in weiter entfernten, tierhaltungsarmen Gegenden wie dem Kanton Aargau, dem Zürcher Unterland oder im Oberargau. Dort werden sie für den Ackerbau genutzt.
Schritt für Schritt von Gülle und Grüngut zu Biogas und Recyclingdünger
Bis aus biogenen Abfällen und Gülle erneuerbare Energie und veredelter Naturdünger entsteht, braucht es mehrere biologische Prozesse, die in geschlossenen Behältern ablaufen. Das Schema (Quelle: SFPI; Adaptation: fenaco) zeigt vereinfacht, welche Vorgänge in der Biogasanlage der SFPI ablaufen:
1 Annahme: Flüssige biogene Abfälle aus Landwirtschaft und Industrie (beispielsweise Getränkeabfälle von RAMSEIER Suisse oder aus der Milchverarbeitung) kommen per LKW oder Bodenleitung in die Annahmetanks.
2 Annahme: Festmaterial gelangt aus der Grüngutsammlung der Gemeinden oder von anderen Lieferanten wie Landwirtinnen und Landwirten in die Annahmehallen.
3 Schredder: Das Festmaterial aus der Grüngutsammlung wird zerkleinert.
4 Nassfermenter: Die flüssigen Substrate kommen in gasdicht abgeschlossene, auf 42° C geheizte Tanks. Dank der Wärme werden die in den Substraten lebenden Bakterien aktiv: Sie knabbern während 40 Tagen an den Stoffen und lassen die Biomasse so vergären. Als ihre Stoffwechselprodukte entstehen Methan und CO2, das Roh-Biogas. Ein Rührwerk mischt das Gas auf und es steigt nach oben. Anschliessend wird es in den angrenzenden Gasspeicher geleitet.
5 Trockenfermenter: Das geschredderte Festmaterial, wird bei 55° C vergoren – wiederum mit Hilfe von Milliarden von Bakterien, die das Material während 20 Tagen zersetzen und gleichzeitig Unkrautsamen und Keime abtöten (hygienisieren). Auch hier geben die Bakterien Methan und CO2 ab. das Roh-Biogas. Ein Rührwerk lässt es steigen und das Gas wird in den Gasspeicher geleitet.
6 Biogasaufbereitung: Das in den Fermentern entstandene Roh-Biogas wird auf Erdgasqualität aufbereitet, indem CO2 und Spurengase wie Schwefelwasserstoffe und flüchtige Kohlenwasserstoffe ausgewaschen werden. Das Biogas wird danach ins Erdgasnetz eingespiesen (rund 32 Mio. kWh pro Jahr).
7 Blockheizkraftwerk: Ein Teil des Roh-Biogases treibt ein mit Gas angetriebener Verbrennungsmotor zur Strom- und Wärmeproduktion an. Der Strom (ca. 2 Mio. kWh pro Jahr) wird ins Netz eingespiesen. Die Wärme (ca. 2 Mio. kWh pro Jahr) heizt die Fermenter und reinigt das Biogas.
8 PV-Anlage: Mehrere Dach- und Fassadenmodule (insgesamt 1935 m2) fangen das Sonnenlicht auf. Der Wechselrichter wandelt den gewonnenen Gleichstrom in Wechselstrom um. Diese rund 400 000 Kilowattstunden pro Jahr werden für den Eigenbedarf (z.B. für Rührwerke, Pumpen) genutzt.
9 Gärrestaufbereitung (veredelter Naturdünger): Neben dem Gas verbleiben nach der Vergärung die Nährstoffe aus den organischen Reststoffen. Sie werden mittels Schneckenpressen in eine feste und flüssige Fraktion aufgeteilt.
10 Festes Gärgut: Die feste Fraktion aus der Gärrestaufbereitung.
11 Flüssiges Gärgut: Die flüssige Fraktion aus der Gärrestaufbereitung.
12 Nährstoffkonzentrat: Dem flüssigen Gärgut kann mittels Ultrafiltration und Umkehrosmose rund 70 Prozent Wasser entzogen werden. Das Nährstoffkonzentrat entsteht. Das Wasser wird in die Kläranlage abgeleitet.
Nachhaltige Energiezukunft
«Wir haben vor 16 Jahren eine hochmoderne Anlage auf die grüne Wiese gebaut, die wirtschaftlich und ökologisch ist und somit unsere Vision einer nachhaltigen Energiezukunft umsetzt», freut sich Philip Gassner. So sah es auch das Bundesamt für Energie: Es hat die Anlage 2010 mit dem Watt d’Or ausgezeichnet. Seit 2020 nennt die SFPI ihre Biogasanlage «EnergieZukunftsAnlage». «Wir unterstreichen damit die Ambition unserer Aktionäre, das Projekt weiterzuentwickeln und in eine nachhaltige Energiezukunft zu investieren», so Philip Gassner. Vor einem halben Jahr konnte er mit seinem Team nach langen Versuchsphasen mit Lieferanten eine neuartige Maschine mit Infrarotsensor und Metalldetektor installieren. Diese kann Fremdkörper – zum Beispiel Rückstände von Plastikabfällen oder Metalle, die mit dem Grüngut entsorgt worden sind – effizient aus dem fermentierten Material ausscheiden, bevor Recyclingdünger daraus wird. Seither beschränkt sich die Handarbeit auf das grobe Aussortieren von Abfall direkt nach der Anlieferung des Grünguts. Auch an Studien zur Verflüssigung und damit Weiterverwendung von CO2 ist das Unternehmen beteiligt. «Mit der Dekarbonisierung und den neuen gesetzlichen Vorgaben wie dem Klimaschutzgesetz und dem revidierten CO2-Gesetz gewinnt Biogas an Bedeutung», ist sich Stefan Epp sicher. Biogas wird in Zukunft auch vermehrt in den Industriebetrieben von fenaco eingesetzt werden.
Kreislauf auf dem Bauernhof
Die Biogasanlage in Inwil ist im Unterschied zu einer landwirtschaftlichen Biogasanlage grösser und ihre Möglichkeiten zur Aufbereitung der Gärreste sind umfangreicher. Die meisten landwirtschaftlichen Biogasanlagen verfügen über drei Komponenten: den Nassfermenter, den Nachgärer und den Verbrennungsmotor. Jürg Kägi, Verwaltungsratspräsident der LANDI Zola und Landwirt in Gutenswil bei Uster (ZH) hat 2023 zusammen mit seinem Nachbar Lukas Schulthess, ebenfalls Landwirt und Mitglied der LANDI Zola, eine 80-Kilowatt-Biogasanlage in Betrieb genommen. Diese ist eine von rund 130 (Quelle: Ökostrom Schweiz) in der Schweiz und produziert jährlich etwa 400 000 Kilowattstunden Energie. Den produzierten Strom speisen die beiden Landwirte ins Stromnetz ein. Dafür erhalten sie eine Einspeisevergütung. Die Abwärme des Gasmotors nutzen sie, um den Fermenter zu heizen und um den Stall zu wärmen. Zudem: Die Gülle nutzen die Landwirte nach der Vergärung wieder auf ihren Höfen – als nährstoffreicher Dünger für die Felder während der Vegetationszeit.