Wie kommt das geerntete Getreidekorn für die Aussaat wieder auf die Felder und wer stellt sicher, dass die nächsten Ernten ergiebig ausfallen? Die fenaco Tochter UFA-Samen und ihre Partner begleiten das Korn auf seinem Kreislauf von der Ernte zur Aussaat.
Wenn auf Schweizer Feldern Getreide geerntet wird, dann geht ein Teil dieser Ernte nicht an die Abnehmer und Verarbeiter wie beispielsweise Mühlen für Brotweizen. Stattdessen wird es unter strengen Kriterien als Saatgetreide aufbereitet und gelangt bereits wenige Wochen später wieder als Aussaat auf die Felder. Dieser Kreislauf ist zentral für die Schweizer Landwirtschaft. Denn die Qualität des Saatguts hat einen grossen Einfluss auf die Erntemengen und die Pflanzengesundheit im nächsten Jahr – und damit auch auf die Versorgungssicherheit in der Schweiz.
Die Produktion von Saatgut stellt spezielle Herausforderungen an die rund 1400 Produzentinnen und Produzenten in der Schweiz. Auf einer Fläche von über 6000 Hektaren bauen sie Saatgut für den einheimischen Markt an, das frei von fremden Sorten und Arten sein soll. Die Swissness wird im gesamten Prozess grossgeschrieben. So stammt fast das gesamte Getreidesaatgut aus Schweizer Vermehrungen und sehr oft auch von in der Schweiz gezüchteten Sorten. «Saatgutvermehrung hat eine lange Tradition und ist eine Herzensangelegenheit für die Produzentinnen und Produzenten», betont Rolf Meyer, der Betriebsleiter des Werks Lyssach von UFA-Samen. «Man muss die Getreidepflanze lieben und ist sich seiner wichtigen Rolle im Kreislauf bewusst.» Deshalb kämen Produzentenwechsel nur selten vor, und selbst bei einer Hofübergabe produziere der Nachfolger oder die Nachfolgerin meist weiterhin Saatgut.
Zwei Hauptakteure prägen die Getreidevermehrung. Die regionalen Vermehrungsorganisationen planen den Anbau mit den Produzentinnen und Produzenten und übernehmen auch die Abrechnung. Die Aufbereitungsstellen, zu denen auch zwei fenaco Betriebe in Lyssach und Winterthur gehören, sind verantwortlich für die Reinigung, den Verkauf und die Verteilung des Saatguts. «Wir arbeiten natürlich eng zusammen, um den bestmöglichen Service für die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte zu erbringen», sagt Jürg Jost. Er leitet UFA-Samen und ist zudem Geschäftsführer der Ostschweizer Vermehrungsorganisation OSP.
Höchste Qualität beim Saatgut
Vor der Aussaat vereinbaren die Vermehrungsorganisationen die Sorten und deren Flächen mit den Produktionsbetrieben. Kurse und Feldbesichtigungen stellen sicher, dass das Saatgut den Qualitätsanforderungen entspricht. Nach der Ernte kommen die Körner zur Annahmestelle für die Aufbereitung. «Wir achten bei Qualitätskriterien insbesondere auf die Sortenreinheit und die Keimfähigkeit. Ausserdem sortieren wir fremde Samen aus», sagt Meyer. Bei der Aufbereitung des Saatgutes wird rund ein Fünftel der Menge aussortiert. Die Ausbeute beträgt in der Regel um die 80 Prozent. Sie kann in guten Jahren etwas höher sein, aber in Jahren mit schwierigen Witterungsbedingungen deutlich tiefer liegen.
Mit dem Entgranner und durch Reinigungsschritte mit Luft und Sieben werden die Körner bei der Getreideannahme mechanisch gesäubert. Dabei werden Staub, Abrieb, aber auch Steine, Stroh und andere Fremdteile ausgeschieden. In der nachfolgenden Kalibrierung werden zu kleine und gebrochene Körner sowie unerwünschte Samen aussortiert. Nach der Zwischenlagerung in Paloxen wird das Saatgut für die kommende Aussaat je nach Kundenwunsch aufbereitet und abgesackt. UFA-Samen bietet Getreidesaatgut für den biologischen und den konventionellen Anbau an und investiert in moderne Technologie. So nahm UFA-Samen in Lyssach im August 2021 die erste Thermosem-Dampfanlage der Schweiz für die ökologische Saatgutbehandlung in Betrieb. Sie setzt ausschliesslich auf Wasserdampf und eliminiert die Pilzsporen auf den Saatkörnern. Gleichzeitig ist die Behandlung sehr wirksam – und sie kommt am Markt gut an.
Nach einem erfreulichen Start 2022 erwartet Jost für 2023 deshalb eine Steigerung von 50 bis 60 Prozent. Denn die Behandlung bewährt sich nicht nur im wachsenden Biomarkt. Auch konventionelle Produzentinnen und Produzenten setzen zunehmend auf die wirkungsvolle Alternative ohne chemisch-synthetische Beizmittel,
Beglaubigte Keimfähigkeit
Die Zeitspanne für die Verarbeitung des Saatgetreides ist sehr kurz. «Wir stehen natürlich zwischen Ernte und Aussaat ziemlich unter Druck», sagt Meyer. «Gleichzeitig sind wir uns alle einig, dass die Qualität des Saatguts top sein muss, um die hohen Anforderungen zu erfüllen.» Ein wichtiger Schritt in der Getreidevermehrung ist deshalb die Zertifizierung von Keimfähigkeit, Reinheit und Gesundheit des Saatguts durch die Prüfstelle bei Agroscope. Dazu werden jedem Getreideposten Proben entnommen und im Labor der Bundesbehörde analysiert.
Die Zertifizierung des Saatguts nimmt zwar Zeit in Anspruch, macht den Saatgut-Kreislauf aber sicherer und stabiler. «Ausschlaggebend für gutes Saatgut ist nicht das Erntejahr, sondern die Keimfähigkeit», betont Meyer. Im Sommer geerntetes Saatgut muss nicht zwingend direkt im Herbst ausgesät werden; die Aussaat kann auch im Folgejahr erfolgen. Voraussetzung ist eine hohe Keimfähigkeit vor der Aussaat. «Das stellen wir in diesen Fällen mit einer zweiten Prüfung im Aussaatjahr sicher», unterstreicht Meyer. Er klopft zufrieden auf die tonnenschweren Saatgutpaloxen im Lyssacher Lager. «Unser Paloxensystem hat den Vorteil, dass wir für jede Produktionsform das geeignete Saatgut haben. Und falls sich ein Posten als weniger keimfähig erweisen sollte, können wir auf andere ausweichen», erläutert er. Damit leistet der Standort Lyssach einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Schweiz.