Superfoods müssen nicht immer exotisch sein. Heimische Hanfnüsse weisen einen hohen Proteingehalt auf und besitzen viele Vitamine und Mineralstoffe. Die LANDI Freiamt führt die kleinen Samen seit Sommer 2020 in ihrem Sortiment. Neu stammen sie aus Schweizer Anbau.
Es gibt eine Kulturpflanze, die so vielfältig nutzbar ist wie ein Schweizer Sackmesser – nämlich der Hanf. Faserhanf zum Beispiel ist ein nachhaltiger und wertvoller Rohstofflieferant für Textilien und Isolationsmaterial. Und Medizinalhanf lindert Beschwerden von Krebspatienten. Nahrungshanf hingegen ist erst seit wenigen Jahren ein Thema für die breite Bevölkerung. Doch bereits jetzt hat der Samen des Hanfes, die Hanfnuss, den Ruf eines «Superfoods». Die Hanfnuss liefert nämlich so viele wertvolle Nährstoffe und Proteine wie kaum ein anderes Produkt. Dies erkannte auch die LANDI Freiamt und bietet schon länger geschälte Hanfnüsse für den Verzehr in ihrem Sortiment an. Seit August 2020 kommen die kleinen Proteinbomben aus der Schweiz. Bisher wurden die geschälten Hanfnüsse der LANDI Freiamt aus Österreich importiert. Diese verkauften sich ausgezeichnet. «Warum produzieren wir nicht selber, wenn es um solche Mengen geht?», fragte sich Daniel Appert, Geschäftsleitungsmitglied der LANDI Freiamt, vor zwei Jahren. So begann er, Landwirtinnen und Landwirte für den Hanfanbau zu begeistern. Ein Jahr später waren es bereits 14, dieses Jahr 23 Betriebe, die auf insgesamt 35 Hektaren Hanfnüsse produzieren. Hauptsächlich im Kanton Aargau, aber auch in Bern, Solothurn und im Baselland.
Ein Allrounder für die Gesundheit
Die Corona-Krise hat uns wieder einmal deutlich gemacht, dass Gesundheit unser wertvollstes Gut ist. Eine ausgewogene und nährstoffreiche Ernährung ist dabei eine der tragenden Säulen. Besonders wichtig: eine proteinreiche Ernährung. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich 0,8 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht. Hier kann der Nahrungshanf mit 30 Prozent Eiweissgehalt punkten. Dabei weisen Hanfnüsse eine ähnliche Proteinkonstellation auf wie das Eiweiss vom Hühnerei oder wie der Soja. Hanfnüsse haben aber noch viel mehr zu bieten. Zum Beispiel ist das Verhältnis der oft erwähnten Omega- 3-zu Omega-6-Fettsäuren optimal für den menschlichen Körper, um entzündlichen Prozessen und Gefässverengungen vorzubeugen. Bei den Vitaminen können Hanfnüsse mit reichen Gehalten an Vitamin A, B1, B2, B6, C, D und E punkten, ergänzt durch die Mineralstoffe Kalzium, Eisen, Magnesium, Schwefel und Zink. Auch die Verwendungsmöglichkeiten von Hanfsamen oder dem daraus gepressten Öl sind vielfältig. So können die Samen zum Müsli, Smoothie oder Brotteig gegeben werden.
Aargauer Wegbereiter
Erwin Stöckli baut seit 2019 Hanfnüsse im Freiamt an. In Benzenschwil bewirtschaftet er zwei Flächen Nahrungshanf der Sorte «Fedora» auf insgesamt vier Hektaren. Auf der Fläche riecht es angenehm nach Kräutern. «Die Leute hier im Dorf wissen Bescheid. Der Hanf ist für sie normal», antwortet der Landwirt auf die Frage, ob er denn auf Unverständnis für seine Kultur stosse. Ein Schild informiert über die Verwendung als Nahrungshanf. «Das Klima in der Schweiz ist optimal für den Anbau von Nahrungshanf. Wo Körnermais gut kommt, kann auch Hanf angebaut werden», erklärt Stöckli. Diese Kulturpflanze hat ihn beeindruckt, da sie wenig Ansprüche an den Anbau stellt. Auch eine längere Trockenheit macht dem Hanf wenig aus, da er sehr tief wurzelt.
Hanfanbau ist grundsätzlich sehr ökologisch und die Pflanze kommt ohne Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger aus. Die Pflanzen auf seinem Feld hat Stöckli im Mai gesät. Mitte August sind sie schon über drei Meter hoch. Probleme mit Krankheiten hat er keine, und auch Unkräuter seien kein Thema. Die Samen sind gegen Ende September reif für den Drusch. Die Ernte führt dann ein Lohnunternehmer aus dem Süddeutschen Raum durch, der seinen Mähdrescher eigens für die Anforderungen der Hanfernte umgebaut hat. Die Maschine drischt die Hanfsamen aus den Blüten und schneidet die langen Pflanzen in 60 Zentimeter lange Stücke. Es ist wichtig, dass die Fasern die Trommel nicht umwickeln und somit blockieren können.
Die Hanfsamen gibt Stöckli schliesslich bei der LANDI Freiamt ab. Sie übernimmt das Reinigen und die Trocknung, bevor die Samen in Süddeutschland geschält werden. Die Stängel bleiben auf dem Feld zur Reife und Trocknung liegen, werden gepresst und vom Glarner Textilunternehmen Glärnisch Textil aufbereitet. Die Fasern bilden die Grundlage für Stoff oder Isoliermaterial. Das holzige Material aus dem Hanfstängel, Schäbe genannt, wird ebenfalls zu Isoliermaterial oder Einstreu für die Hobbytierhaltung verarbeitet. Erwin Stöckli profitiert noch weiter vom Hanfanbau, da dieser eine optimale Vorfrucht für den Weizen darstellt. Der enge Bestand mit seinen Pfahlwurzeln hilft, den Boden aufzulockern und zu durchlüften. Der Hanf ist also ein wertvoller Bestandteil der Fruchtfolge, die bei Stöckli aus Mais, Weizen, Triticale und Hanf besteht.
Optimistisch in die Zukunft des Hanfanbaus
Wer den LANDI Laden in Muri besucht, kann sich die ersten Hanfprodukte sichern. Man muss dabei nicht lange suchen. Prominent sind die Produkte, welche unter dem Label «Hanfwohl – Hanfprodukte aus der Schweiz» vermarktet werden, in einem eleganten Holzregal neben anderen regionalen Spezialitäten zu finden. «Wir mussten das Regal in den ersten drei Wochen seit der Einführung schon zweimal wieder auffüllen», berichtet eine Mitarbeiterin des LANDI Laden in Muri. Die Nachfrage ist also durchaus vorhanden. Um aus dem Pilotprojekt der LANDI Freiamt eine langfristige Erfolgsgeschichte zu machen, müssen aber noch die Direktzahlungen geklärt werden. Bis dato werden in der Schweiz keine Direktzahlungen für diese Kultur geleistet. Lediglich der Kanton Graubünden hat eine Sonderlösung gefunden, indem der Kanton produzierende Landwirtinnen und Landwirte während einer Projektphase unterstützt. Selbstverständlich müssen Anbau und explizite Nutzung gemeldet werden. Im Falle der Aargauer Hanf-Landwirtinnen und Hanf-Landwirte greift bisher die LANDI Freiamt unter die Arme. Der Antrag für eine Aufnahme von Lebensmittelhanf in das Verordnungspaket 21 ist gemacht und Daniel Appert von der LANDI Freiamt sieht dem Entscheid optimistisch entgegen. Teil des Antrags ist natürlich eine klare Abgrenzung zum THC-/ CBD Hanf. In der Europäischen Union hingegen ist Nahrungshanf den anderen Kulturen bereits gleichgestellt. Regularien stehen fest und sind erprobt. Dieses Modell könnte auch in der Schweiz eingeführt werden und dem Nahrungshanf die Tür öffnen. Bauer Stöckli geht die Herausforderungen Schritt für Schritt an. Wichtig sind für ihn erst einmal offene Landesgrenzen. «Letztes Jahr hing die Erntemaschine am Zoll fest, und wir wurden etwas nervös wegen der Ernte», erinnert er sich mit einem Schmunzeln.